Es regnet. Es regnet seit Tagen und ich schaue entweder genervt auf den Regenradar oder beruhigt auf Grünflächen.
Auf mich warten im August so viele Mini- und Megareisen, dass ich die Sommer-Pause dankbar annehme, während ich damit beschäftigt bin, Impfreaktionen durchzustehen, bewaffnete Konflikte nachzuvollziehen und ein sehr gutes Bikini-Top zu finden.
Und ohne den Regen hätte ich den letzten Freitagabend vielleicht nicht mit einem Doku-Marathon über das Alte Ägypten verbracht. Ein neuer Special Interest von mir, der sich in Zeiten der Nachrichten über Brände, AFD und Asylpolitik als wertvolle Form des Eskapismus entpuppt.
Denn die Alten Ägypter waren nicht nur extrem fortschrittlich, gebildet und stylisch, ihre Welt war auch voller Promi-Dramen, für die ich lebe.
Wusstet ihr zum Beispiel, —
dass es in Gizeh wegen Daddy-Issues eine 4. Pyramide gab?
Radjede baute sie auf einem nahe- und vor allem höhergelegenen Plateau, um die Pyramide seines Vaters, dem Pharao Cheobs, zu übertrumpfen. Vorher hat er übrigens noch seinen Bruder ermordet, und dessen Frau geheiratet — die allerdings die Schwester der beiden war. „Keeping the bloodlines close“, Credo wie in Adelsfamilien überall auf der Welt, zu allen Epochen. Karma: Dadurch, dass die Pyramide auf dem Plateau ungeschützter war, konnten Diebe nach und nach zunächst Teile und dann die komplette Pyramide abbauen. Heute ist sie kaum noch als solche erkennbar.
dass Kleopatra vielleicht hässlich war!?!
Die Fixierung auf Kleopatras Aussehen sagt natürlich viel mehr über uns aus als über das Alte Ägypten. Im Prinzip wissen wir nur von den Römern, dass Kleopatra eine femme fatale gewesen sein soll – cleverer Schachzug, um sie zu diskreditieren, die böse Verführerin. Dennoch sind alle Dokus bessessen davon, sie extrem schön, leicht bekleidet und optional in Milch und Honig badend darzustellen. Offenbar ist aber auch die Wissenschaft sehr interessiert daran, wie sie denn nun aussah, die letzte Herrscherin. Vor allem, als irgendwo eine Münze auftauchte, auf der Kleopatra naja hässlich abgebildet ist, wurde alles in Frage gestellt. Konsequenz: Der Schädel ihrer Schwester wurde gescannt und es wurden aufwendige Kontruktionen des Gesichts erstellt. Wenn die Schwester schön war, war es Kleopatra doch auch!?! Ergebnis: leider wissenschaftlich invalide. Es gibt Hoffnung, denn im Dezember 2022 wurde ein Tunnel in einer Grabstätte gefunden, der möglicherweise zum Grab Kleopatras führt. Das Rätsel um die Schönheit dieser Politikerin wird dann vermutlich endlich gelöst sein, wenn ihr Skelett einmal komplett durchleuchtet ist.
welche krassen Rache-Moves die Alten Ägypter draufhatten?
Eine andere Königin des Alten Ägyptens, Nitokris, lud die Mörder ihres Vaters zu einer Konferenz in einen geschlossenen, unterirdischen Raum ein. Diesen ließ sie mit Wasser des Nils fluten.
Das Alte Ägypten bleibt Projektionsfläche für Europa. Die großen Lücken in der Geschichtsschreibung, die vielen unentdeckten Gräber: Perfekt für den kolonialen Eroberungs- und Entdeckungsgeist, der dafür sorgte, dass etliche Artefakte, Mumien und Kunstobjekte sich mittlerweile in Europa befinden. Wer kennt nicht den Spruch: “Die hatten sogar schon Elektrizität!”. Wir Europäer*innen haben gelernt, dass Geschichte Fortschritt bedeutet und Befreiuung. Dass schon jemand vor ‘uns’ mehr Wissen besaß, scheint immer noch sehr zu faszinieren.
Ich glaube, dass auch ich mich aus einem ähnlichen Grund so gerne mit dem Alten Ägypten beschäftige: Vielleicht habe ich die leise Hoffnung, dass — wenn die Geschichte eben keinen linearen Fortschritt bedeutet — auch unser jetziger Untergang nicht der letzte sein wird.
Und hier mein Juli-Medien-Dump in Bildern:
Endlich habe ich es gelesen: Das Buch, das Autor*innen, die ich bewundere, alle gelesen haben. Der “Klassiker der amerikanischen Autobiografie”. Ich habe es nur halb so geliebt wie erhofft, aber die Essays die mir gefielen, haben Eindruck hinterlassen. Ich habe mir einen Joan-Didion-Herbst vorgenommen. We will see.
Bin ich die einzige, die über Archive, Vergessen und Erinnern nachdenkt? Nein! Auch Kim macht das in der neuen Staffel der Kardashians auf Hulu. Sie nimmt uns mit in ihre Lagerräume und es ist wahnsinnig und wahnsinnig interessant, was sie aufbewahrt, welchen Objekten sie Bedeutung zuschreibt. Sie macht sich selbst zur Ikone, indem sie sich Objekte des kulturellen Gedächntisses aneignet.
In Judith Herrmanns Worte möchte ich mich reinlegen. Nicht wie in eine Badewanne, vielleicht eher wie in eine Hängematte, von der aus die Sicht auf den Alltag etwas schwankt. Ich liebe, wie sie kleine Momente und Szenen in größere Erzählungen einreiht. Autobiografisches erzählt, es interpretiert, ohne zu genau zu werden, und dann wieder alles zurücknimmt.
Ich bereue nicht, die zwei Tage Selbstmitleid während einer Sommer-Erkältung mit absoluter 2000er Nostalgie verbracht zu haben: Gossip Girl. Ich war sofort zurückerinnert an die Haarbänder, die damals alle wegen der Serie trugen und an SMS, die wir uns gegenseitig schrieben, wenn ein neues Paar in der Schule gesichtet wurde. Xoxo, gossip girl. Erschreckend: Sexuell gewaltätiger Typ ist Protagonist und major love interest. Auch erschreckend: Damals dachte ich, Serena und Blair wären viel zu dünn und perfekt und unrealistisch. Heute denke ich mir: Wow, was für gesunde Körpertypen und ihre Haut hat Textur? Krass body positive.
Danke fürs Lesen! ✨ Ich bin Vivi, ich schreibe über alles, was glänzt.
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